Wie kann man den ÖPNV im ländlichen Raum so attraktiv und vor allem für jeden nutzbar machen, dass er an Beliebtheit gewinnt? Welche Möglichkeiten könnten die letzte Meile zu jedem nach Hause überbrücken? Diese Frage hat man im Landratsamt Reutlingen für den Bereich Münsingen über das Projekt LandMobil neu bearbeitet und beantwortet. Geschaffen wurden zusätzlich zu den bestehenden Bus- und Bahnverbindungen eine e-Bike und eine e-Car Flotte, die der Gemeinschaft zur Verfügung stehen. Über die Plattform LandStadtMobil findet heute jeder die passenden Optionen für seine Reiseroute, sogar Mitfahrangebote.
Das Projekt LandMobil und was sich dahinter alles verbirgt
Beim ÖPNV im ländlichen Raum, liegt die Herausforderung auf der letzten Meile, wie man so schön sagt, also wie kommt der Nutzer vom Bahnhof in seinen Teilort bzw. zu seinem Ziel in 2 bis 5 Kilometer Entfernung. Was man dafür machen kann, hat sich die Abteilung Nahverkehr und Mobilität im Kreisamt für nachhaltige Entwicklung des Landratsamts Reutlingen im Jahr 2019 für die Region Münsingen überlegt und bei einer Ausschreibung des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft einen Projektvorschlag eingereicht. Dieser wurde bewilligt und so freut man sich heute über eine finanzielle Förderung von 80 %.
An diesem Projekt LandMobil arbeitet Jessica Baisch-Nipatsiripol mit einer halben Stelle seit Januar 2021 und so langsam nehmen die Möglichkeiten Form an. Neben verschiedenen Bus-Linien, die Münsingen und Engstingen verbinden, fährt die Schwäbische Alb-Bahn und es gibt einen Anmeldeverkehr für die weniger frequentierten Strecken und Zeiten. Zusätzlich gibt es über die LandStadtMobil Plattform die Möglichkeit sich intermodale Routen mit Bus- und Bahnverbindungen, mit Mitfahrgemeinschaften, 100 e-Bikes der Flotte TIER, welche im free floating System arbeitet (d.h. man kann das Rad überall im vorgegeben Raum vorfinden und wieder abstellen), sowie zukünftig e-Cars der deer Flotte ausrechnen und anzeigen zu lassen. Diese bezieht dann auch das eigene Auto und Gehen mit ein.
Geplant ist die Plattform so, dass man seine Reiseroute eingibt und dann alle Möglichkeiten vorgeschlagen werden. Bei der Nutzung der Plattform kann man einzelne Optionen ausschließen und auch selbst Fahrten für die Gemeinschaft mit wenigen Klicks anbieten.
In Engstingen soll zusätzlich ein Drehkreuz geschaffen werden, wo man sein Auto parken, das eigene Fahrrad überdacht anschließen und dann auf andere Möglichkeiten umsteigen kann.
Details zu den geschaffenen Möglichkeiten hat uns Jessica Baisch-Nipatsiripol im Podcast Interview verraten. hör doch mal rein.
Um all diese Möglichkeiten auszuprobieren, reisten wir übers Wochenende in den Landkreis Reutlingen und starteten unsere Tour in Engstingen.
Unsere Erfahrungen mit der Schwäbischen Alb-Bahn und den TIER Fahrrädern
Dass wir die Schwäbische Alb-Bahn lieben, wissen langjährige Heimat-Verliebt Leser und Hörer bereits. Darum freuten wir uns sehr, auch bei dieser Reise mit der Bahn fahren zu können. Am Bahnhof in Engstingen startete unsere Reise. Wir hatten unser Auto am Automuseum geparkt und uns per LandStadtMobil zum Bahnhof lotsen lassen. Unterwegs sahen wir bereits die ersten TIER Räder an der Bushaltestelle stehen. Am Bahnhof angekommen, wo uns ein recht neuer Bahnsteig erwartete, mussten wir nicht lange warten und schon rollte die Bahn ein. Das Ticket gab es beim Schaffner.
Wie auch bei unseren letzten Fahrten mit der Alb-Bahn, waren wir die einzigen Gäste, was natürlich sehr schade war. Wir nutzten die Gunst der Leere und kamen mit dem Lokführer ins Gespräch und Frank durfte sogar die Hupe betätigen - da wurden Kindheitsträume war. ;-) Eine Mitfahrt im Führerstand kann man übrigens auch buchen und verschenken.
Planmäßig erreichten wir nach 30 Minuten Münsingen und hatten eine herrliche Fahrt durch beginnende Lautertal.
An dieser Stelle würden wir gern von der 10. Biosphärenwoche in Münsingen berichten, doch fiel die Veranstaltung, welche wir besuchen wollten leider aus und alle anderen waren zu weit weg - vielleicht im nächsten Jahr.
Wir schlenderten durch die Stadt, ließen uns auf dem Wochenmarkt von Frank Geiselhart erläutern, wie Champignons angebaut werden und beschlossen dann einen Ausflug zu Flomax nach Gächingen zu unternehmen und somit die TIER Räder zu testen. Das klingt jetzt spontan, war es aber nur bedingt, denn die Räder wollten wir auf jeden Fall nutzen und darum hatten wir auch Fahrradhelm, Handschuhe und eine entsprechende Jacke im Rucksack dabei.
Am Bahnhof in Münsingen trafen wir, wie es uns die LandStadtMobil Plattform und die TIER App, welche wir daheim bereits installiert hatten, verraten hatten, auf vier Räder. Wir suchten uns zwei aus und liehen sie mit der TIER App aus. Diese wies uns auf das Helmtragen und den Fahrradcheck hin und nach dem Einstellen der Sattelhöhe konnte es losgehen. Wir radelten gemütlich und waren erstaunt, wie gut die Schaltautomatik funktionierte. Bergauf hätten wir eigenständig vermutlich noch etwas runtergeschalten, doch mit etwas Power aus den Beinen überwanden wir den Anstieg nach Gächingen.
Was wir nicht bedacht hatten... In Gächingen kann man die TIER Räder nicht abstellen, da der Ort nicht im teilnehmenden Bereich liegt. Somit konnten wir die Fahrt nur pausieren und mussten unseren Shopping-Ausflug zeitlich etwas einschränken, denn auch beim Pausieren kostet jede Minute 0,19 € Ausleihgebühr. Nach dem erfolgreichen Einkauf der lang ersehnten Jacke für mich (Susi) entriegelten wir die Räder und fuhren zurück ins Tal bis nach Kohlstetten, wo wir die Räder wieder ordnungsgemäß abparken konnten. Beim Abstellen sollte man unbedingt darauf achten, dass man keinen Privatgrund oder Einfahrten zustellt. Wir fanden am Bahnhof in Kohlstetten, wo man vorzüglich einkehren kann, nämlich zwei weitere TIER Räder ordentlich an einem Fahrradständer geparkt vor. Dort stellten wir unsere Räder dazu, doch erfuhren wir dann vom Wirt, dass dies eigentlich die Fahrradständer für seine Gäste sind, die ihr eigenes Rad dort anschließen können sollen. Somit werden wir beim nächsten Abstellen besser Acht geben.
Nach dem Essen liehen wir die Räder erneut aus und radelten nach Engstingen zurück. Vom Bahnhof hätten wir auch die Buslinie 7606 oder natürlich die Bahn nehmen können, doch die Fahrzeiten passten nicht zu unseren Reiseplänen. Somit kann man wirklich sagen, mit den TIER Rädern ist man sehr flexibel. Worauf man unbedingt achten muss, ist die Möglichkeit das Rad am Zielort abstellen zu dürfen. Wo das der Fall ist, erfährt man über die TIER App. Außerdem hätten wir uns im Vorfeld mit den Pässen vertraut machen sollen, denn die lohnen sich im Raum Münsingen. Für die längeren Wege wurden nämlich extra Pass-Typen geschaffen, mit welchen man zum Beispiel in einem Monat 100 Minuten fahren und sooft ausleihen kann, wie man möchte für einen Preis von 17,99 €. Im Vergleich zum "normalen" Ausleihen kostet jede Fahrminute 0,19 € und jedes Mal Ausleihen 1 €. Macht man sich im Vorfeld über sein Nutzungsverhalten Gedanken, kann sich das lohnen.
Beim Abparken in Engstingen machte eines der Räder Probleme, wohingegen sich das andere problemlos abparken lies. Somit riefen wir den Support von TIER in Berlin an und können nur positives berichten. Wir erhielten schnell Hilfe und auch die zusätzlich gezahlte Zeit für das Rumprobieren und Telefonieren gut geschrieben. Gerade in der Anfangszeit, wo die Räder noch im Testbetrieb sind, sollte man sich nicht scheuen, den Support anzurufen und auch im Landratsamt bei Jessica Baisch-Nipatsiripol Feedback zu hinterlassen.
Am Sonntag nutzten wir die Vorzüge der AlbCard, die wir im Hotel Herrmann bekommen hatten und den Rad-Wanderbus, dessen Nutzung somit für uns kostenfrei war.
Unsere Erfahrungen mit dem Rad-Wanderbus
Der Rad-Wanderbus, sowie der Sonnenalb Express und der Biosphärenbus verkehren auf ihren Routen im Sommer sonn- und feiertags. und gehören zum Freizeitverkehr im Landkreis Reutlingen Wer eine AlbCard hat, kann sie kostenfrei nutzen und auch wer ein Naldo Monats-Ticket hat, darf mit den Bussen fahren. Direkt beim Busfahrer kann man natürlich auch ein Einzelticket lösen. Von Münsingen sollte es für uns ins Lautertal gehen. Es stand Wandern auf den hochgehbergen auf dem Programm, doch auch die Mitnahme des eigenen Fahrrads wäre im großen Anhänger möglich gewesen. Die hochgehberge sind ein Netz aus Premiumwanderwegen im und um das Biosphärengebiet Schwäbische Alb.
In Bichishausen sprangen wir aus dem Bus und starteten auf dem hochgehberg hochgehbürzelt. Dieser Rundweg ist 4 km lang. Das schöne bei den drei hochgehbergen im Lautertal ist, dass man sie kombinieren kann. So wechselten wir in Niedergundelfingen auf den hochgehswiggert mit 6,2 km und wanderten diesen mit seinem steilen Anstieg zur Burgruine Hohengundelfingen und herrlicher Aussicht auf das Lautertal. Swigger war übrigens der Vorname des IV. Herrschers von Gundelfingen im 12. Jahrhundert. Über den hochgehbürzelt und den Lautertalradweg wanderten wir zurück nach Bichishausen. Unterwegs warteten einige Einkehrmöglichkeiten auf uns und an der Burg Derneck gönnten wir uns ein kühles Bierchen und ein Stück Kuchen.
In Bichishausen hätten wir auch noch eine dritte Wanderung auf dem hochgehgrenzt anschließen können, doch pünktlich mit unserer Ankunft kam der Rad-Wanderbus und brachte uns zurück nach Münsingen, wo unser Auto kostenfrei am Bahnhof geparkt stand. Hätte das nicht so geklappt vom Timing her, hätten wir auch wieder auf die TIER Räder zurückgreifen können.
Bei unserem nächsten Besuch gibt es dann vielleicht auch schon die deer e-Carsharing Flotte. oder mehr Angebot über die Mitfahrgemeinschaft.
Essen, Übernachten und Entspannen
Zu einer Erkundungsreise gehört auch gutes Essen und ein Ort zum Übernachten. Da wir dieses Mal mit dem Auto und nicht mit dem Bussle unterwegs waren, brauchten wir also ein Hotel. Überglücklich waren wir, als wir von unserem Auftraggeber erfuhren, dass es das Hotel Herrmann in Münsingen sein sollte, denn dort wollten wir schon längst einmal übernachten.
Das 4* Wohlfühl-Hotel liegt zentral im Ort, mehrere Häuser schließen sich verwinkelt und liebevoll gestaltet zu einer Einheit zusammen und im Wellness Bereich fehlt es an nichts. Eine Sauna, eine Infrarot-Kammer, ein Dampfbad, mehrere Ruhemöglichkeiten, zwei Sonnengärten und ein Schwimmbecken laden zu mehr ein, als nur einen kurzen Abstecher nach einem Ausflugstag. Am Morgen öffnet der Poolbereich bereits ab 6 Uhr und das nutzen wir natürlich, um vor dem Frühstück eine Runde zu schwimmen, auch wenn es uns schwer fiel unser gemütliches Bett im Zirbelholz-Zimmer zu verlassen.
Zum Abendessen wurden wir mit einem köstlichen 4-Gänge-Menü verwöhnt und auch das Frühstücksbuffet war ein Traum :-)
Unterwegs auf unserer Tour von Münsingen nach Engstingen kehrten wir am Samstagmittag bei einem Geheimtipp ein - am Bahnhof Kohlstetten. Die Karte ist klein, dafür exklusiv und das Ambiente des Bahnhofsgebäudes bzw. im Ausbereich direkt an den Schienen der Schwäbischen Alb-Bahn gefiel uns super.
Für unsere Wanderung im Großen Lautertal hatten wir eine Einkehr im Bootshaus an der Lauter in Bichishausen vorgesehen, wo man herrlich im Biergarten sitzen kann, doch dieses hatte wegen unbeständigen Wetters geschlossen. Im Lautertal eine verlässliche Größe ist die Burg Derneck, betrieben vom Schwäbischen Albverein. Hier bekommt man Getränke, einen Snack, Kaffee und Kuchen, wie von Oma gebacken.
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