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Campus Galli in Messkirch - Hier entsteht eine Klosterstadt mit Mitteln des 9. Jahrhunderts - HVP090



Eine Klosterstadt bauen, wie im 9. Jahrhundert. Einen Plan verwirklichen, der nur gezeichnet, aber nie umgesetzt wurde. Diese Idee hatten Bert M. Geurten und Verena Scondo nach ihrer Besichtigung der entstehenden Ritterburg Guédelon in Frankreich. Seit 2012 wird das Projekt Campus Galli nun in Messkirch verwirklicht und wir waren im Rahmen der Aktion Wandern mit Biss von Best of Wandern im Donaubergland auch vor Ort und haben uns umgesehen.

 

Die Basis für die Idee

 

Die Basis der Baustelle von Campus Galli ist der St. Galler Klosterplan, welcher 820 auf der Insel Reichenau gezeichnet wurde. Das Kloster auf der Insel im Bodensee war zu dieser Zeit ein Zentrum der Religion und Innovation. 

 

Der Plan gilt als das älteste Architekturdokument Europas und enthält die Angaben, welche Gebäude zu einer Klosterstadt dazu gehören sollten und wie sie anzuordnen sind. Das Ziel war, die Mönche in der Stadt zu halten, damit sie außerhalb nicht mit Frauen in Berührung kommen. 

 

Er beinhaltet: Unterkünfte für Pilger, ein Haus für Kranke, eine Schule, eine Apotheke, ein vornehmes Haus für den Abt, Ställe, Gärten, Werkstätten…

 

Als der Plan fertig war, ging er als Geschenk an Abt Gozbert von St. Gallen. Er sollte sich daraus Anregungen holen, um sein Kloster umzugestalten. In St. Gallen liegt der Plan nun seit mehr als 1000 Jahren und wurde nie umgesetzt.

 

In Messkirch sollen nun diese 52 Gebäude entstehen – in Handarbeit ohne moderne Technik, sondern mit Mitteln und Methoden des 9. Jahrhunderts. Auch die Materialen sollten die gleichen sein: Holz, Lehm, Stein, Stroh, Muskelkraft und Ausdauer. 

 

Diese Handwerkskunst soll aufgezeigt werden, auch wenn sehr wenig darüber überliefert ist. Daher muss viel gelernt und ausprobiert werden. 

 

Wie kam es zu der Idee und wer steckt dahinter?

 

Der Aachener Journalist Bert M. Geurten sah einen Film von Reinhard Kungel über das Burgbauprojekt von Guédelon.

 

Gemeinsam mit Verena Scondo reiste er nach Frankreich und dann stand fest: So etwas wollten sie auch bauen. Doch es sollte keine Burg werden, sondern Geurten erinnerte sich an das Modell der St. Galler Klosterstadt, welches er in Aachen gesehen hatte. 

 

Als die Idee geborgen war, musste ein Platz gefunden werden. Arne Zwick, Bürgermeister von Messkirch ließ sich begeistern, nachdem viele andere abgesagt hatten. Für die Region sollte das Projekt Arbeitsplätze schaffen und den Tourismus fördern. Um den Stadtrat zu überzeugen machte Arne Zwick mit allen eine Ausfahrt nach Guédelon und hatte sie danach auf seiner Seite.

 

So ging es 2012 los und 2013 öffnete das Gelände seine Pforten für Besucher. 40 Jahre sollte es bis zur Fertigstellung dauern, doch das wird wohl nicht reichen.

 

Was bisher geschah

 

Im Jahr 2018 kamen 83.000 Besucher. Als Ziel hat Verena uns 120.000 Gäste verraten, dann trägt sich das Projekt mit seinen inzwischen 35 Festangestellten und vielen Helfern ohne Subventionen. Sie selbst wird die Fertigstellung wohl nicht mehr miterleben, denn sie ist heute schon über 70. Bert M. Geurten verstarb bereits 2018.

 

Unterstützt wird der Campus Galli Verein “karolingische Klosterstadt e.V.” durch Wissenschaftler, denn es gibt kaum Anweisungen über das Vorgehen zur Errichtung der Klosterstadt. Da der Plan nur 2-dimensional aufgezeichnet ist, fehlen Angaben zu Höhen, keiner weiß, wie die Gebäude von der Seite aussehen sollen oder wie die Dächer beschaffen sein könnten.

 

Heute stehen bereits:

  • Schreinerei & Drechslerei & Schmiede
  • Weberei & Färberei
  • Hühnerstall & Schweine-Villa & Bienen
  • Korbflechterei
  • Kräutergarten, wo auch nur Kräuter der damaligen Zeit angepflanzt werden
  • Holzkirche (bis heute größtes Bauwerk) & Marktplatz
  • Uvm. 

Das größte Projekt, welches gerade im Bau ist, ist wohl die Scheune. Drei Jahre soll es dauern bis sie genutzt werden kann und das ist auch wichtig, denn heute muss auf Scheunen im Umfeld ausgewichen werden, um Baumaterialien und Viehfutter zu lagern.

 

Ein Besuch im Campus Galli lohnt sich auf jeden Fall und auch noch weitere, denn es verändert sich immer wieder etwas. Als wir da waren, wurde zum Beispiel das Dach der Schmiede umgebaut von Stroh zu Holzschindeln.

 

Das wohl größte Werk, welches geschaffen werden soll, ist die gewaltige Abteikirche aus Stein mit 200 Fuß Länge und einem Westchor mit zwei Türmen. 

 

Bei unserem Besuch haben wir zugeschaut, wie Baumstämme entrindet wurden, wie ein Turm mit Lehm verputzt wurde, ein großes Kreuz für die neue Kirche geschnitzt/gehobelt wurde. Für das Strohdach der neuen Scheune werden jetzt schon Strohähren gebündelt und eingelagert. Die Tiere z.B. Hühner, Scheine und Ziegen schienen ein Paradies zu haben, der Schmied bekam gerade ein neues Dach aus Holzschindeln für seine Hütte usw. Es gibt also jede Menge anzuschauen und eine Meinung soll sich jeder selbst bilden.

 

Außerdem haben wir gelernt, wie gemessen wird. Maße gibt es am Plan nicht. Jedoch muss trotzdem gemessen werden. Für kleine Maße wir ein Messstab mit der Länge eines Fußes angesetzt. Unterteilt ist dieser in die Breite von vier Händen und diese jeweils in vier Finger.

 

Campus Galli ist ein Freilichtmuseum und ein Baustelle zu gleich. Was leicht aussieht, hat im Hintergrund viele Fallstricke. Denn auch die heutigen Regeln machen vor diesem Ort nicht Halt. Jedes Gebäude muss beantragt werden, bei Gerüsten darf auch nicht nur mit Mitteln aus dem 9. Jahrhundert gearbeitet werden, da diese nicht zulässig sind. Was wie ein Spielplatz für Erwachsene scheint, unterliegt der teilweise bitteren bremsenden deutschen Realität.

 

Zitat aus der Stellenanzeige für einen Zimmermann: „… Hierzu gehört die Ableitung eines modernen, genehmigungsfähigen Bauplans, der historisch plausibel und mit unseren Möglichkeiten handwerklich umsetzbar ist.“

Und was bei dieser „Baustelle" besonders schön ist: Man kann mit allen Handwerkern und Arbeitern sprechen und die Fragen stellen, die einen beschäftigen. 

 

Organisatorisches für deinen Besuch im Campus Galli

 

Ratsam für den ersten Besuch ist dennoch eine Führung, um ein Gefühl für das Gelände zu bekommen. Dann kann man auf eigene Faust wiederkommen und beobachten, was geschieht. Eine Jahreskarte für Erwachsene kostet 30 € und der Einzeleintritt 11 €. 

 

Vor dem Besuch unbedingt die Öffnungszeiten prüfen, denn über den Winter bleibt das Gelände geschlossen und auch Montag ist außer an Feiertagen nicht geöffnet. Weitergearbeitet wird über den Winter natürlich trotzdem.

 

Es gibt einen riesigen Parkplatz am Gelände und auch Buslinien (102 samstags und sonntags und 642 werktags) fahren den Campus Galli an.

 

Öffentliche Führungen finden Dienstag bis Sonntag um 14 Uhr für einen Aufpreis von 4 € statt. Diese dauern 1,5 Stunden und geben einen Einblick. Danach kann man sich frei auf dem Gelände bewegen und alles erkunden. Auch für Kinder und für Gruppen gibt es Angebote. 

 

Etwas zum Essen und Getränke gibt es am Marktplatz zu kaufen, wo es auch moderne Toiletten gibt 😉

 

Campus Galli im Kino

 

Reinhard Kungel begleitet nach Guédelon auch dieses Projekt in Messkirch filmisch. Nach dem ersten Film läuft nun seit dem 11. Juli 2019 der Film „Campus Galli – Das Mittelalterexperiment“ in den deutschen Kinos. Alle Infos und Termine gibt es hier:.

 

Im Arsenal & Atelier Tübingen läuft der Film z.B. vom 11. bis 17. Juli

 

Am 14. Juli gibt es eine Vorführung mit den Gästen. Dafür hat uns das Kino 5 Freikarten zur Verfügung gestellt. Die 5 erste Personen, die bei der Reservierung HEIMAT-VERLIEBT angeben, dürfen umsonst rein. Kartenvorbestellung: 07071-999 75 31

 

 

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